hat mich umgehauen
Reflexion und Diskussion

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Die Nahaufnahme von der Hand des alten Künstlers, die den schwarzen Onyxring mit dem gekreuzigten Christus zeigt, hat Rick Rubin zweimal ausgewählt. Einmal für das Begleitheft von “The man comes around” (AR IV) und dann für die limitierte Sonderausgabe von “There is no grave” (AR VI). Der Produzent wußte um den tiefen Glauben seines Künstlers an Jesus Christus, um diesen tragenden Grund seines späten Arbeitens. “With the numbers that came through the fire and through the flood, I clung to the tree and was redeemed by the blood.” (Redemption/AR I) Bevor Johnny Cash diesen Song auf der Bühne sang, sagte er ruhig, deutlich vernehmbar: “Wenn es Vergebung nicht gäbe, wäre ich jetzt nicht hier”. Und in “Spiritual” (AR II), einem Song, den Rick Rubin ausgesucht hatte, singt er: “Jesus, oh Jesus, if you hear my last breath, don’t leave me here left to die a lonely death. My love wasn’t true, all I have is you”.

2002 war “The man comes around” (AR IV) herausgekommen. Cash, der immer wieder von Krankheiten geschüttelt wurde und immer Schmerzen hatte, dachte, das ist meine letzte CD. Das war es nun wohl mit mir. Aber Rubin ermunterte ihn: “Warum fangen wir nicht gleich mit American V an!” Cash blühte auf. “Lord, help me walk another mile, just one more mile. Don’t think I can do things on my own.” (Help me/AR V) Und: “Give me my task and let me do it right and do it with all of my might.” (I Corinthians 15:55/AR VI) Dann hat er noch mehr als sechzig Songs aufnehmen dürfen.

Im Winter 2002/2003 wurde Johnny Cash unheilbar krank. Trotzdem hat er weiter gesungen. “It should be a while before I see Dr. Death, so it would sure be nice if I could get my breath. Well, I’m not the crying nor the whining kind, till I hear the whistle of the 309.” (Like the 309/AR V)

Alle Begleithefte zu den American Recordings sind liebevoll gemacht, mit interessanten Texten und eindrücklichen Fotografien. Aber umgehauen hat mich und nicht wieder losgelassen, was Rick Rubin in “A hundred Highways” (AR V) schreibt, über ein Ritual, das sie hatten - täglich - vier Monate lang, bis zum Tod des Sängers. Rubin hatte von einem Prediger gehört, dessen Krebsleiden durch den täglichen Empfang der Kommunion geheilt war. Als sie das nächste mal zusammen waren, sagte Rubin das zu Cash. Sie sprachen lange miteinander. Rubin: “Ich empfing von ihm meine erste Kommunion.” “Jesus nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sagte Dank, brach es und sprach: ‘Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird’.”

“Christi Leib für dich gegeben.”
Für beide Männer war es ein Augenblick in heiliger Ehrfurcht.
Täglich feierten sie nun am Telefon die Abendsmahlsliturgie. Rubin: “John sprach die Worte vor, wir nahmen sie tief in uns hinein, mit geschlossenen Augen. Unser Ritual endete immer in der gleichen Weise.”
“I love you, John.”
“I love you, Rick.”

Gemeinsam sahen sie auf Leben. Als klar wurde, daß es Leben, wie sie es erhofften, so nicht gab, wurde aber etwas anderes klar, das auch Leben ist:

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Am Kreuz wird Christi Leib gebrochen
für dich
für alle
Ihr seid meine Freunde
Jesus trägt seine Liebe durch den Tod hindurch
Er verwandelt den Tod in Liebe,
die die Tür aufstößt zur Auferstehung
Gottes Herrlichkeit scheint am Kreuz auf
in der Liebe des Sohnes
In dieser leibhaftigen Liebe
ist Vergebung eingeschlossen
In dieser leibhaftigen Liebe
ist Auferstehung eingeschlossen
ihr seid meine Freunde
Auferstehung ist eine Entscheidung
“Du wirst den Becher trinken
oder im Grund des Töpfers verschwinden”**
Auferweckung ist ein anderes Wort
es kommt von Gott her
Gott liebt alle seine Geschöpfe
und wen er liebt, den liebt er in Ewigkeit
Und die Liebe sagt: du sollst ewig sein
du und unsere Beziehung
“Christi Leib für dich, nimm hin”
Die Weisheit essen und Leben haben
Kommunion ist mit der ganzen Schöpfung
Liebe ist die Weisheit des Todes
7. November 2012
Cläre Carls (*28. März 1935 †7. März 2013)


**The man comes around/AR IV / Literatur Joseph Ratzinger (katholischer Theologe): Jesus von Nazareth, zweiter Teil
Adolf Schlatter (reformierter Theologe): Das Evangelium nach Johannes: Erläuterungen zum Neuen Testament
 Kazoh Kitamori (lutherischer Theologe): Theologie des Schmerzes Gottes

Nachtrag, 12. Februar 2013: Gehorsam bis zum Tod

2 Reaktionen zu “hat mich umgehauen
Reflexion und Diskussion”

  1. Margarete Montag

    Liebe Autorin!
    Der Text ist beeindruckend sowie der Glaube, der daraus spricht.
    Für die, die Glauben ein Geschenk. Doch es gibt auch Menschen ohne Glauben. Auch sie würdig, lebensfähig, spirituell. Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Zwei gleichwertige Positionen.

  2. admin

    Ein behutsamer Kommentar von “der anderen Seite”. Danke, liebe Kommentatorin.
    Der Horizont für den Christen sind die Verheißungen Gottes, die Gott in Leben und Sterben Jesu Christi uns offenbart hat: Die Liebe besiegt den Tod. Darin aufgehoben sind: Du bist mein Freund - bedingungslos. Gerechtigkeit, Frieden, Leben - für Dich. Wenn wir uns danach ausstrecken, haben wir Ziel, Sinn, Leben. Dieser Horizont gibt Geborgenheit und ist durch eigene Leistung nicht zu erweitern. Er gilt für das klein ausgespannte Leben wie für das weit ausgespannte Leben.
    In seinem vielleicht bekanntesten Song “Man in black” singt Johnny Cash: “I wear the black for those who never read, or listened, to the words that Jesus said, about the road to happiness through love and charity. Why, you’d think He’s talking straight to you and me?” “Warum denkt ihr, Er würde nur zu dir und mir reden?” Johnny Cash sieht in diesem Raum der Geborgenheit den Glaubenden wie den Nicht-Glaubenden. Denn auch der Nicht-Glaubende oder der Anders-Glaubende hat diesen Horizont, der Liebe und Leben ist.

    Warum offenbarst du dich uns und nicht der Welt, sagen die Jünger zu Jesus.
    Jesus antwortet: Wer mein Gebot der Liebe hält, den werde ich lieben und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und uns ihm offenbaren (Joh. 14,18->).
    Und in dem Kapitel vom Weltgericht (Math. 25,31->) fragen die, die Jesus zu seiner rechten Seiten stellt: Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder krank oder im Gefängnis und sind zu dir gekommen? Und Jesus antwortet: Was ihr getan habt dem Geringsten, das habt ihr mir getan. Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist.

    Liebe Kommentatorin, Sie schreiben: Auch Menschen ohne Glauben haben Spiritualität. Spiritualität ist ein Beziehungswort und hat als Grund den Geist der Liebe. Sich dem “Du” öffnen, du bist mein Freund, Verschmelzung mit dem “Du”, Einheit, die Liebe schafft. Und Liebe ist das Grundwort für Leben, ewiges Leben.
    Übrigens: Johnny Cash mußte sich oft rechtfertigen wegen seines Glaubens, den er in vielen seiner Songs bekannte.
    Wir leben in einer säkularisierten Gesellschaft. Menschen , die Glauben haben, sind heute eher abseitig. - Herzliche Grüße Cl.C.