Der Kommentator ist doch ein Cash-Fan!

Bei einem Konzert Johnny Cash zu erleben, hatte ich nie die Möglichkeit.
Von seinem Konzert auf dem Jazz-Festival in Montreux 1994 habe ich eine Live-Aufzeichnung*. Den Teil, in dem er allein auf der Bühne ist, begleitet nur von seiner Akustikgitarre, sehe ich immer wieder an - mit gleichbleibender Begeisterung.
Da singt er Songs, die er mit Rick Rubin auf der ersten gemeinsamen CD “American Recordings” aufgenommen hat. Schwere, ernste, religiöse Songs - bei den Menschen im Saal siehst Du Ehrfurcht.
1996 hat Johnny Cash ein Konzert in Prag gegeben. Es war das Jahr, in dem er zusammen mit Rick Rubin die zweite America Recordings “Unchained” aufnahm und noch einmal an die neunzig Konzerte gab. Zu dem Prager Konzert fand ich jetzt, 2010, einen längeren Kommentar, den Christian Seiler** im September 1996 veröffentlicht hat.
Ein großer Teil dieses Kommentars ist so schnodderig, respektlos geschrieben, daß ich schon wegklicken wollte: Cash`s Gesundheitsbraun ebenso aus der Parfümerie wie die schlecht deckende Farbe in seinem Haar. Der Schweiß läuft in ungesunden Bächen über das Gesicht. Er keucht wie ein Gerberhund, hustet wie ein Pferd, der 120-Kilo-Koloss mit den vielen Vergangenheiten, der im Nebenher seine Platitüden von der Straße ausbreitet. Die Band, bestehend aus mitgebrachten Veteranen von Nashville und Umgebung, schaffe es, jeden einzelnen Cash-Song wie “Bonanza” klingen zu lassen. - Irgendwann kommt dann ein erstaunlicher Schluß, den ich wieder lese:
“Bewundernswert, wie unbeschadet Johnny Cash aus der klebrigen Bonanza-Inszenierung heraussteigt. Es braucht nur ein paar Takte seiner Gitarre, einen Song, der ihm allein gehört, und die Atmosphäre verdichtet sich unversehens, so daß im Dunkel des Kulturpalastes vor Ehrfurcht auch die imaginären Cowboyhüte abgenommen werden. Ausgerechnet “I walk the line”, Johnny Cash`s vielleicht größter Hit, gerät im Solo des Meisters zu seiner Gitarre zu einem der berührendsten Momente des Abends. Da ist durch 12.000 Interpretationen nichts abgeschliffen worden.”
So erlebe ich Johnny Cash in der Live-Aufzeichnung von Montreux: “unbeschadet in einer Schau, wenn er nur ein paar Takte seiner Gitarre, einen Song für sich allein hat”.
Fein ausgedrückte Hochachtung für den großen Sänger, ja, Bewunderung - auch seiner Würde!
Der Kommentator - doch ein Cash-Fan!

* Johnny Cash: Live at Montreux 1994 (DVD)
** Johnny Cash - Christian Seiler. com Weltwoche 1. September 1996

Videos
Sunday morning coming down: Johnny Cash
Sunday morning coming down: Johnny Cash and Kris Kristofferson


“Sunday Morning Coming Down” (lyrics in english)
Sonntagmorgen wenn ich herunterkomme
Nun ich wachte auf Sonntagmorgen
Kein Weg meinen Kopf zu halten ohne Schmerz
Und das Bier das ich zum Frühstück hatte war nicht schlecht
So hatte ich noch eines als Dessert
Dann wühlte ich in meinem Schrank durch meine Wäsche
Und fand mein reinstes schmutziges Hemd
Dann wusch ich mein Gesicht und kämmte mein Haar
Und stolperte die Treppe herunter dem Tag zu begegnen
Mir rauchte der Kopf von der Nacht davor
Mit Zigaretten und Songs die ich gezupft
Aber ich zündete meine erste und sah einen kleinen Jungen
Mit einer Dose spielen die er kickte
Dann überquerte ich die Straße
Fing ein den Sonntagsduft von jemand der ein Hühnchen briet
Und Herr es brachte mich zurück zu entwas das ich verlor
Irgendwo irgendwie entlang des Wegs
Auf einem Sonntagmorgen-Gehweg

Ich wünschte Herr ich wäre zugedröhnt
Denn da ist etwas in einem Sonntag
Das einen Körper einsam fühlen läßt
Und da gibt es nichts außer sterben
Das halb so einsam ist als wie der Ton
Eines schlafenden City-Gehwegs
Und Sonntagmorgen wenn ich herunterkomme

Im Park sah ich einen Vater
Mit einem lachenden kleinen Mädchen das er schwang
Und ich blieb stehn bei einer Sonntagsschule
Und hörte zu den Songs die sie da sangen
Dann ging ich die Straße hinunter
Und irgendwo weit läutete eine einsame Glocke
Und es hallte durch das Tal
Als wie die entschwindenden Träume von gestern

Auf einem Sonntagmorgen-Gehweg
Ich wünschte Herr ich wäre zugedröhnt
Denn da ist etwas in einem Sonntag
Das einen Körper einsam fühlen läßt
Und da gibt es nichts außer sterben
Das halb so einsam ist als wie der Ton
Eines schlafenden City-Gehwegs
Und Sonntagmorgen wenn ich herunterkomme

(Kris Kristofferson / Johnny Cash)